Update der Exotenpflanzung (Rheindorfer Exoten) in Leverkusen-Rheindorf vom 24.11.2010
Andreas F. Eckloff & Dr. Michael Lorek

Bereits unter dem 07.01.2009, 13.01.2009, 03.03.2009 und 13.09.2009 wurde nach dem ersten der beiden, unmittelbar aufeinander folgenden Kaltwinter an dieser Stelle ausführlich über Geschichte, Durchführung, Winterschutzmaßnahmen, Erfolgs- und Schadensereignisse bei der Rheindorfer Exotenpflanzung berichtet.

Am 24.11.2010 fand nun eine Begehung der größten straßenbegleitenden Palmenpflanzung Mitteleuropas unter anderem durch den Leiter des städtischen Fachbereichs Stadtgrün (Grünflächenamt) statt. Zweck der Begehung war gut sechs Jahre nach der Pflanzung eine Bestandsaufnahme. Insbesondere nach den beiden rheinischen Kaltwintern 2008/2009 und 2009/2010, sowie der hierauf jeweils gefolgten Vegetationsperioden, war dies eine gute Gelegenheit, um allgemein Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren, insbesondere um Einschätzungen über die Erforderlichkeit etwaiger zukünftiger Winterschutzmaßnahmen treffen zu können.


Exkurs: Waren die rheinischen Winter 2008/2009 und 2009/2010 "Extremwinter" oder gar "Jahrhundertwinter"?
Im Zusammenhang mit den beiden letzten rheinischen Wintern wird hier die Formulierung "Kaltwinter" gebraucht, während von anderen Seiten verschiedentlich Begriffe wie "Extremwinter" und "Jahrhundertwinter" verwandt werden. Insoweit erscheint eine Relativierung geboten. Dies lässt sich am Beispiel der Leverkusener Rheinuferzone, in der die "Rheindorfer Exoten" liegen, anhand der vom Deutschen Wetterdienst (DWD) über ein Jahrhundert amtlich durchgeführten meteorologischen Messungen gut belegen.

Richtig ist, dass beide Winter (meteorologisch definiert als die Zeit von Anfang Dezember bis Ende Februar) zweifellos überdurchschnittlich streng ausgefallen sind. So ragt der Winter 2008/2009 durch die relativ tiefe absolute Minimumtemperatur in der Nacht zum 07.01.2009 heraus. So wurde beispielsweise mit einem ungeeichten Thermometer auf der nördlichen Seite der Rheindorfer Wupperstraße eine Tiefsttemperatur von –13,5 °C gemessen, so niedrig, wie seit 22 Jahren nicht mehr (das durchschnittliche absolute jährliche Temperaturminimum im Bezugszeitraum 1976–2005 beträgt hier –9,0 °C). Soweit vorgenannte Messung verschiedentlich als "zu hoch" angezweifelt wird, weil die amtlich gemessenen Tiefsttemperaturen am Köln/Bonner Flughafen –19,2 °C und am Düsseldorfer Flughafen sogar –19,9 °C betrugen, werden hierbei aber Messungen näher gelegener und mikroklimatisch eher vergleichbarer Wetterstationen vollkommen außer Betracht gelassen:

Abs. Tmin am 07.01.2009:
Meteomedia (professionell): Düsseldorf-City: –12,1 °C, Köln City: –12,3 °C, Köln-Niehl: –13,3 °C
Semiprofessionelle Messungen: Köln-Nippes: –11,1 °C, Köln-Kriel: –12,7 °C, Monheim: –13,7 °C

Wenn man sich vor Augen führt, dass die Jahrestiefsttemperaturen in der Leverkusener Rheinuferzone zwischen 1903 und 2005 insgesamt neun Mal unter –15 °C, dabei vier Mal unter –19 °C und einmal sogar bis –23,7 °C herabsanken, relativieren sich die am 07.01.2009 in Rheindorf und Umgebung gemessenen Tiefsttemperaturen sofort. Erst recht gilt dies für den Folgewinter 2009/2010, bei dem die in Rheindorf gemessene absolute Tiefsttemperatur bei –11,5 °C lag, wobei allerdings in weiteren Nächten immerhin Tiefsttemperaturen von –8,6 °C und –8,2 °C erreicht wurden. Dieser Winter war vor allem durch die im Vergleich zum langjährigen Mittel schon deutlich überdurchschnittlich vielen Frost- und Eistage gekennzeichnet. Aber auch in diesen Hinsichten ist der Winter 2009/2010 nicht einmal ansatzweise mit den tatsächlichen Extremwintern der vergangenen über 100 Jahre vergleichbar. Bei der beschriebenen objektiven Sachlage führen Begriffe wie "Extremwinter" oder gar "Jahrhundertwinter" als Kennzeichnung der rheinischen Winter 2008/2009 und 2009/2010 in die Irre, während die Bezeichnung "Kaltwinter" als Kennzeichnung durchaus angemessen erscheint.


Entsprechend der Philosophie aller Projektverantwortlichen wurde von Beginn an keine künstliche Wärmequelle als Winter- bzw. Kälteschutz eingesetzt. Aber auch die somit ausschließlich passiven Winterschutzmaßnahmen wurden von Anfang an auf ein Minimum beschränkt. Wurden in den ersten drei Wintern noch sämtliche Palmen gemulcht, wurde der Wurzelschutz in den beiden letzten Jahren immer weiter reduziert.

Den intensivsten, aber dennoch nach oben hin offenen Winterschutz erhielt hierbei die erst 2008 gepflanzte chilenische Honigpalme (Jubaea chilensis) einerseits in Form von Mulch sowie andererseits mittels Umwickeln des Stammes und eines Teilbereichs des Blattwerks mit Kokosmatten.

Zeitweise wurden die Fächer der chinesischen Hanfpalmen (Trachycarpus fortunei) hochgebunden, um schneelastbedingtes Abknicken der Blattstiele zu vermeiden. Im Bereich auf dem und in der Nähe des östlichen Kreisels der Wupperstraße erfolgte zudem aus ästhetischen Gründen ein leichter Schutz vor Strahlungsfrost mittels Umwickeln der Blätter mit dünnem Flies. Yuccas, Agaven, Bambus sowie Fruchtpflanzen wie Kiwi, Olive, Wein und Feige erhielten nie Winterschutz.

Insgesamt konnten nach den beiden Kaltwintern im Rheindorfer Zentrum nur wenige Verluste an exotischen Pflanzen festgestellt werden. Da es sich aber 2008/2009 und 2009/2010 nicht um Extrem- oder Jahrhundertwinter handelte, bleibt weiterhin offen, wi sich solche im Falle eines tatsächlichen Auftretens auf die exotischen Pflanzen auswirken würden. Zum aktuellen Zustand der exotischen Pflanzen nach den zwei Kaltwintern im Einzelnen:

I. Palmen
1. Trachycarpus fortunei
Bei den Trachycarpi fortunei ist zu unterscheiden einerseits zwischen den 17 "Sponsorenpalmen" und andererseits 2006 von einem norditalienischen Händler bezogenen 3 Pflanzen. Während bei ersteren nach dem ersten Kaltwinter keine schweren Primärschäden wie etwa vollständige Entblätterungen (Defoliationen) und in der nachfolgenden Vegetationsperiode kaum Folgeschäden wie kurze Blattstiele und/oder Deformierungen bei den Laminae auftraten, verhielt es sich bei der zweiten Gruppe anders. Sämtliche drei auf der Wupperstraße sowie zwei weitere in Rheindorfer Privatgärten gepflanzten "italienischen" Exemplare waren nach dem Winter defoliert und wiesen bei ihren anschließenden Neuaustrieben nur sehr kurze Blattstiele mit kleinen Laminae auf. Immerhin überlebten aber alle Pflanzen den ersten Kaltwinter.

Durchaus überraschend war es dann, dass nach dem zweiten Kaltwinter ohne signifikant tiefe Tiefsttemperaturen, aber mit überdurchschnittlich vielen Eistagen, immerhin zwei der 17 "Sponsorenpalmen" abstarben. Bemerkenswert erscheint hierbei, dass sich beide Exemplare bereits in den vorangegangenen Jahren durch ihre von den anderen Palmen abweichenden Erscheinungsbilder unterschieden. Während das eine Exemplar durch seinen wenig aufrechten Wuchs und seine "weichen" Blätter auffiel, waren bei dem zweiten Exemplar die Schwachwüchsigkeit, die kleinen Laminae und der dünne Stamm auffällig. Hieraus scheint sich tatsächlich folgern zu lassen, dass sich aus bestimmten phänotypischen Merkmalen, insbesondere der Blatthärte, Schlüsse auf die Winterhärte einer Pflanze schließen lassen. Zudem stützt diese Feststellung die Beobachtung verringerter Winterhärte an vorgeschädigten Pflanzen. Kalte, direkt aufeinander folgende Doppelwinter scheinen ein besonderes Risiko für T. fortunei darzustellen.

Signifikant anders verhielten sich die fünf "norditalienischen Palmen". Kein einziges dieser fünf Exemplare trieb nämlich nach dem zweiten Kaltwinter in Folge auch nur noch einmal aus.

Aus dem Vorgenannten (Absterbequoten: "Sponsorenpalmen" 12 %, "Norditalienische Palmen" 100 %) ergibt sich eindrucksvoll die Bestätigung vieler bereits anderweitig gemachter und geschilderter Erfahrungen, nämlich dass der Morphotyp der Palmen für deren mittel- und langfristiges Überleben ohne Schutz im Freiland ein mitentscheidender Faktor ist.

Eine weitere in dem Projekt gemachte Erfahrung ist, dass möglicherweise die Sinnhaftigkeit von Mulchung als Wurzelschutz völlig neu zu hinterfragen ist. Bei den Rheindorfer Trachycarpi wurde im vergangenen Jahr fast ausnahmslos auf Mulch verzichtet, ohne dass dies trotz längerem Dauerfrost zu Schäden führte. Diese Erkenntnis war zunächst einmal überraschend, besteht doch bisher bei Exotenfreunden allgemein Einigkeit darüber, dass Mulch als Mindestschutz in Mitteleuropa empfehlenswert sei. Vorgenannte Beobachtung war den Projektverantwortlichen Anlass genug, sich den Verlauf der Bodentemperaturen während des vergangenen Winters noch einmal genau anzuschauen. Die Nachschau unter diesem Aspekt ergab, dass die Bodentemperaturen in 50 cm Tiefe nicht unter +2 °C, in 20 cm Tiefe nicht unter 0 °C und in 10 cm Tiefe nicht unter –1 °C gefallen waren (nach http://www.monheim-wetter.de). Bedenkt man, dass gemeinhin bei Trachycarpi fortunei eine Wurzelhärte von mindestens –5 °C vorausgesetzt wird, erscheinen die angegebenen tatsächlichen Bodentemperaturen vollkommen unproblematisch, Wurzelschutz durch Mulch in der Rheinuferzone von Rheindorf dementsprechend überflüssig.



Kleine Trachycarpus-Allee an der Südseite der Wupperstraße. Leichtgradige Winterschäden am alten Blatt, ein abgestorbenes Exemplar.


Trachycarpi fortunei an der Südseite der Wupperstraße an einer Parkbucht, nur geringfügige Winterschäden, kräftiger Neuaustrieb

Trachycarpi fortunei, selbe Exemplare wie Bild vorher


Trachycarpi fortunei an der Südseite der Wupperstraße, ebenfalls kräftiger Neuaustrieb


Trachycarpus fortunei an der Südseite der Wupperstraße, geringfügige Winterschäden, kräftige Fruchtbildung



Trachycarpus fortunei auf dem Kreisel, mittelgradige Winterschäden, gesunder Neuaustrieb.


Rest der Trachycarpus fortunei Dreier-Gruppe

1.2. Chamaerops humilis
Bei dem einzigen, im Jahre 2006 auf der mikroklimatisch warmen Nordseite der Wupperstraße gepflanzten Exemplar einer Chamaerops humilis konnten im Frühjahr bei zwei Stämmen - wie berichtet - die Speere gezogen werden. Trotz zum Zwecke des Feuchtigkeitsschutzes errichteter Überdachung sowie Chinosolbehandlung war aus diesen beiden Stämmen kein Neuaustrieb mehr feststellbar. Allerdings treibt die Pflanze aus mehreren kleineren Stammansätzen wieder aus, hat also den Winter überlebt.

Nach dem Absterben des Hauptstammes war die Chamaerops humilis wegen ihrer sodann nicht mehr vorhandenen Höhe nicht mehr als Abgrenzung von Parkflächen geeignet und wurde deshalb von der nördlichen auf die südliche Seite der Wupperstraße verpflanzt.


Chamaerops humilis an der Südseite der Wupperstraße, Neuaustrieb aus Seitenstämmen, während der Hauptstamm abgestorben ist

Weiteres Exemplar der Chamaerops humilis, ebenfalls an der Südseite der Wupperstraße, auch hier Neuaustrieb aus Seitenstämmen


3. Jubaea chilensis
Allen Unkenrufen zum Trotz ist die einzige in Deutschland als Straßenbegleitgrün "amtlich" gepflanzte Jubaea chilensis nach den beiden rheinischen Kaltwintern gleichzeitig die Einzige ihrer Art mit einer Stammhöhe von mehr als einem Meter überhaupt, die in Deutschland ohne jegliche künstliche Wärmequelle beide Winter überlebt hat. Dies muss umso bemerkenswerter erscheinen, als auch der angebrachte passive Winterschutz in der kältesten Nacht nach oben hin "offen" war. Auch nach dem letzten Kaltwinter sind allerdings erneut rund 80 % der Fieder durch Frosteinwirkung abgestorben. Der Stammbereich der Pflanze war im unteren Bereich gemulcht, der darüber liegende Bereich zudem seitlich durch Umwickeln mit Kokosmatten geschützt. Bemerkenswert ist deshalb nicht nur das Überleben der Palme schlechthin, sondern auch die hervorragende Regeneration innerhalb von jeweils nur einer Vegetationsperiode nach den Kaltwintern.

Dieser in jeder Hinsicht in ganz Mitteleuropa einmalige Pflanzerfolg ist sicher besonders auf die Qualität der Pflanze und die langwierig und akribisch vorgenommene Pflanzplanung zurückzuführen. Insbesondere der Standort wurde nach zweijährigen Messungen der aufgetretenen winterlichen Tiefsttemperaturen und dem Studium von aus der Luft gemachten Wärmebildern ausgewählt. In beiden Hinsichten hatte sich der Pflanzort als die Wärmeinsel im Straßenbereich der Wupperstraße schlechthin herausgestellt. Dies führte dazu, dass der damalige Leverkusener Oberbürgermeister persönlich die Umpflanzung von zwei kanadischen Ahornbäumen zugunsten der J. chilensis angeordnet hatte. Trotz alledem ist ein dauerhaftes Überleben dieser Pflanze ohne Winterschutz nicht zu erwarten, weil die im Jahre 2006 jedenfalls in Deutschland gemeinhin angenommene und von den Verantwortlichen deshalb vorausgesetzte Kälteresistenz von J. chilensis deutlich übertrieben war. Tatsache scheint zu sein, dass ein Temperaturminimum von –11,5 °C bei J. chilensis zu schweren Blattschäden führt.

Eine weitere bisher nicht beschriebene Erkenntnis der vergangenen Kaltwinter ist, dass sich passiver Winterschutz bei Jubaea chilensis keineswegs so einfach gestalten lässt, wie dies z.B. bei Trachycarpus fortunei der Fall ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass das "Hochbinden" der Fieder im Bereich der Blattstiele zu Spannungen führt, die schon bei mittelstarkem Frost ein Aufplatzen der Blattstiele bewirken. In den aufgeplatzten Blattstielbereichen setzt sich sodann Eis fest, welches das Gewebe noch weiter auseinanderdrückt, was im Frühjahr zum Absterben der betroffenen Fieder führt. Der Erhalt eines schönen Habitus erfordert deshalb in der Zukunft neue Lösungen betreffend den passiven Winterschutz bei J. chilensis, die in den kommenden Wintern erprobt werden sollen.



Sichtbare Folgeschäden an der Blattstiel-Unterseite von J. chilensis, durch das Zusammenspiel von Hochbinden und Frost bedingt


Jubaea chilensis


Jubaea chilensis

II. Sukkulenten
Nachdem Yucca treculeana und Agave gentryi bereits den ersten Kaltwinter nicht überlebten, ist nun in dem zweiten Kaltwinter ein kleines Exemplar von Agave havardiana abgestorben. Die verschiedenen gepflanzten Feigenkakteenarten (Opuntien) überlebten sämtlich schadlos. Weitere Verluste waren im Bereich der Sukkulenten nicht zu verzeichnen, wenngleich es vereinzelt zu Blattschäden kam.


Agave neomexicana auf dem Kreisel

Agave utahensis auf dem Kreisel

Opuntien auf dem Kreisel

Opuntien auf dem Kreisel


Yucca rostrata, gut regeneriert nach starken Blattschäden

Yucca aus dem "Gloriosa-Komplex"


III. Sonstige mediterrane Gewächse
Die biblischen Pflanzen wie Olive (Olea europaea) und Feige (Ficus carica) haben auf der nördlichen Seite der Wupperstraße ohne Winterschutz überlebt, obwohl es bei der Olive zu erheblichen Blattschäden gekommen ist. Auf der südlichen Straßenseite ist ein Olivenstämmchen überirdisch abgestorben, treibt aber vom Wurzelbereich wieder aus.

Wein (Vitis vinifera), Kiwi (Actinidia deliciosa) und Bananenstauden (Musa basjoo) haben erwartungsgemäß überlebt.



Musa basjoo nach dem Rückschnitt und vor dem Einwintern in einem Bananenkasten, an der Südseite der Wupperstraße



Zitiervorschlag: Eckloff, A. F. & Lorek, M. 2010: Update der Exotenpflanzung (Rheindorfer Exoten) in Leverkusen-Rheindorf vom 24.11.2010. – http://www.tropengarten.de/Botanik/leverkusen4.html am Tg.Mo.Jahr.