Recreativo Huelva : RCD Mallorca 3:1
11. Spieltag, Sonntag, 27.10.2013, 13 Uhr

Heute mal kein Bericht von einer botanischen Exkursion, sondern vom aktuellen spanischen Tabellenführer der Zweiten Liga. Ein Besuch dieses Spiels bot sich an, da das Stadion nahe am Nationalpark Espacio National de Donana liegt und die spanische Zweite Liga, Segunda Division, wohl eher zu den "vergessenen Ligen" Europas gehört. Das Stadion liegt direkt am alten Hafen (Puerto Interior) von Huelva, dort von wo Kolumbus aufbrach, die Neue Welt zu entdecken. Es ist sozusagen das "neue Stadion": Estadio Nuevo Columbino. In Anführungszeichen deshalb, weil das "alte Stadion" im Innenstadtbereich mehr hermacht als das neue, jedoch (aus Gründen der Infrastruktur?) nicht mehr für Ligaspiele benutzt wird.

In der Umgebung des Nuevo Columbino findet sich nun ein Industriegebiet, der alte Löschanleger für Ölfrachter und natürlich viel Freifläche für Parkplätze. Dies dürfte wesentlich praktischer als das alte Stadion sein, welches in einem Wohngebiet liegt und kaum Parkplätze in unmittelbarer Umgebung hat. Obwohl es das neue Stadion ist, wirkt es im Gegensatz zu vergleichbaren mitteleuropäischen Stadien leicht vernachlässigt.


Nuevo Columbino Stadion, Spielstätte des aktuellen Zweitligisten Recreativo Huelva. Untere Ebene zugemauert, reichlich Müll in der Umgebung, die Infrastruktur leicht vernachlässigt
Die Haupttribüne des Stadions, tribuna alta. Als einzige überdacht, mit Eingangstoren und den Kassenhäuschen, etwa eine Stunde vor dem Spiel


Eine gute Stunde vor dem Spiel waren wir angereist, es herrschte aber kaum Betrieb am Stadion. Erst ungefähr eine Viertelstunde vorher füllten sich die Schlangen vor den Kassenhäuschen und den Eingangstoren. Die Preise waren allerdings gesalzen, 35 Euro für Erwachsene und 17 Euro für Kinder. Vielleicht mit ein Grund, warum in Spanien lediglich in der Spitzengruppe der Ersten Liga gute Zuschauerzahlen erreicht werden - neben der langweiligen Konkurrenzsituation mit zwei dominierenden Vereinen, natürlich.

Dafür konnte man sich die Tribünen als Besucher frei aussuchen, Einheitspreis überall. Es gab ausschließlich Sitzplätze. Bei der Wahl der Tribüne musste man sich zu den dazugehörigen Eingängen begeben und man konnte mehr oder weniger selbst entscheiden, wo man Platz nahm. Lediglich an die Wahl der Tribüne war man also gebunden. Reichlich Platz gab es fast überall.

In den blau weißen (azur y blanco) Vereinsfarben geschmückter "Pipas-Verkäufer" - das sind geröstete und gesalzene "Sonnenblumenkerne"
Der Hintertorraum, leicht heruntergekommen, im Gegensatz zu unseren Stadien ohne Hintertornetz


Vom Pipas-Verkäufer vor dem Stadion haben wir keine Sonnenblumenkern-Tüten erworben, da bei uns eher Wurst mit Brötchen plus Getränk angesagt sind. Bei vielen Fans in Deutschland stellt das Getränk natürlich das Bier dar, vorm Stadion in Flaschen, im Stadion in Plastikbechern. In Huelva gab es das nicht. Im Innenraum des Stadions konnte man Hamburger, Wasser und Limonade kaufen. Alkoholische Getränke sind sozusagen out. Dafür aber Pipas. Es gab fast niemanden der keine aß.

Beim Einlass auch ungewohnt, wurden fast keine richtigen Körperkontrollen durchgeführt. Einkaufstüten, Getränke, Taschen oder Rucksäcke konnten mit rein genommen werden, kein Problem. Bei uns unvorstellbar. Wahrscheinlich ist es dem Umstand geschuldet, dass die zweite spanische Liga eher eine familiäre Angelegenheit ist als eine kommerzielle Großveranstaltung. Und wahrscheinlich fehlt dort die entsprechende "Begleitmusik". Erstaunlich auch die verhältnismäßig geringe Präsenz von Werbung, weder bei den Ansagen des Stadionsprechers, noch auf den Trikots, noch auf den Einblendungen der Videoleinwand. LED-Banden ebenfalls Fehlanzeige. Die Werbung an den Tribünen und der Videoleinwand wirkte abgeblasst und schon seit Ewigkeiten dort.

Lediglich Sitzplätze im Stadion. Bis auf die Haupttribüne war alles unüberdacht. Im Hochsommer bei voller Sonne wohl gewöhnungsbedürftig und nur für kreislaufstarke Fans geeignet
Der Kameramann von Canal 1+, das Spiel wurde als einziges (zusammen mit R. Madrid C : Ponferradina) des aktuellen Spieltags der Zweiten Liga live übertragen. Die rostige Balustrade beachten wir mal nicht.
Erst kurz vor Spielbeginn begannen sich die Tribünen so langsam zu füllen. Lediglich die Haupttribüne im Unterrang war während des Spiels annähernd als "gut gefüllt" zu bezeichnen ...
... während der Rest des Stadions nur lückenhaft besetzt war. Hier die Ultras der Heimmannschaft: "Frente Onuba". Eine antike, römische Bezeichnung für Huelva ist Onoba oder Onuba.

Erst kurz vor Spielbeginn begannen sich die Tribünen so langsam zu füllen. Lediglich die Haupttribüne im Unterrang war annähernd als "gut gefüllt" zu bezeichnen, ansonsten noch die Ultras-Kurve. Im Rest des Stadions verteilten sich die Zuschauer relativ gleichmäßig lückenhaft. Gästefans waren nicht auszumachen. Was auch kein Wunder ist, da es für die Fans von Mallorca wohl eher eine logistische Herausforderung ist, zu jedem Spieltag von der Insel aufs Festland zu reisen. Sowieso eine recht erstaunliche Tatsache, dass die Mannschaft zu jedem Auswärtsspiel eine verhältnismäßig aufwändige Anreise hat. Derby-Charakter mit kurzer Anreise dürfte für die Mallorquiner wohl ein Fremdwort sein.

Obwohl für deutsche Verhältnisse die Anzahl der Ultras gering ist, haben die etwa 150 Anhänger gut Rabatz fast die ganze Spieldauer hindurch gemacht, Wechselgesänge mit den vier Tribünen - jeweils abwechselnd immer eine - inklusive. Für die 8.415 Zuschauer eine durchaus eindrucksvolle Kulisse mit guter Stimmung. Inwieweit das natürlich wegen der aktuell sehr guten sportlichen Situation so ist, kann man nicht sagen, als Fremdfan aber eine lohnende Sache.

Vor Spielbeginn die Heimmannschaft zum Gruppenphoto. Auflaufkinder gab es nicht, dafür dann wahrscheinlich die Spielerkinder (?), die sich zusammen mit dem Fahnenschwenker den Photographen stellten.
Die Ultras während des Spiels. "Heute ist der Himmel eher Blau und Weiß", womit sie nach dem 3:1 Recht behalten sollten.
------------------ "You never walk alone" --------------------------------
In blau-weiß gestreift die Heimmannschaft. Rot-schwarz die Mallorquiner, hier ein verletzter Spieler. Die Trage wird nicht von Sanitätern gehoben, sondern mit einem "Chevrolet" chauffiert. Nichts Schlimmes passiert. Wie meistens wohl. Auch hier ein schwanenverletzter Spieler, die unter endlosen Schmerzen leidet.



Das Spiel wurde rechtzeitig angepfiffen, ohne Auflaufkinder, und bot eine durchaus ansehnliche Zweitligapartie. Das Niveau entspricht der mittleren deutschen Zweiten Liga, etwa genau so robust mit vergleichbarer technischer Fähigkeit und bei beiden Teams mit dynamischer Aufstellung, mal zwei Viererketten, dann Raute, mal doppelte Sechs. So wie man es aus den oberen Ligen kennt. Lediglich das Umschaltspiel wirkte nicht konsequent und zwei der vier Treffer erfolgten nach zu langsamem Umschalten. Obwohl beide Teams relativ robust zu Werke gingen, gab es keine Verletzungen. Die meisten Unterbrechungen waren dann doch eher Schwanengesänge und viel viel Schauspielerei ....

Das Ergebnis entsprach der Spielstärke und Huelva ging verdient als Sieger vom Platz. Eigentlich hätte es 4:1 ausgehen müssen, aber der eine Treffer wurde nicht gegeben, obwohl der Ball die Linie überquert hatte und vom mallorquinischen Spieler zu spät gerettet wurde.

Der nicht gegebene Treffer von Huelva. Der Ball ist deutlich hinter der Linie. Am Spielverlauf änderte sich aber nicht viel. Das Heimteam blieb dominierend mit viel mehr Ballbesitz und Druck gegen den Ball als beim aktuellen Tabellensiebten von der Insel.
Hierfür also brauchte man die Pipas. Während des gesamten Spieles knackte und knusperte es um uns herum, weil beinahe jeder Zuschauer seine Tüte Pipas hatte und diese laut verspeiste. Dementsprechend sah es dann auch unter den Sitzplätzen aus.
Von der Haupttribüne aus hat man einen prächtigen Ausblick auf das Umland und die Stadt Huelva. Die Brücke vom Stadtpark.
8.415 Zuschauer. Von Mallorca kamen mutmaßlich keine mit, was auch kein Wunder ist.

Huelva ging frühzeitig in Führung, in der 15. Minute durch ein schön heraus gespieltes Tor über links. Die Innenverteidigung der Mallorquiner ließ den gesamten zentralen Raum ungedeckt und drin war der Ball. Huelva blieb überlegen, trotz Versuche der Gäste, das Spiel zu übernemen. So fiel der Anschlusstreffer von Mallorca eigentlich recht unvermutet, ein Kopfballtreffer nach Ecke. Die Gastgeber dann mit mehr Druck. Das vermeintliche 2:1 nach einer engen Spielsituation im mallorquinischen Strafraum wurde nicht gegeben. Zwar hatte der Ball die Linie überquert, vom Schiri wurde der Treffer aber annulliert, was zu einem Proteststurm der Zuschauer führte. Mit dem 1:1 ging es daraufhin in die Pause.

Nach dem Wechsel blieb Huelva spielbestimmend. Der erneute Führungstreffer, zuerst versagt, dann aber gegeben, war letztlich auch konsequent. Ein Kopfball nach Ecke an den langen Pfosten, der Torwart fast ohne Chance. Bis zum Schluss kam Mallorca meist nur bei Standards zu Torchancen, darunter auch zwei hochkarätige, die beide verschossen wurden. In der Nachspielzeit, die Gäste waren aufgerückt, konnte Huelva mit einem schnellen Konter, wieder über deren stärkere linke Seite, das 3:1 markieren. Der Keeper war ebenfalls aufgerückt und wurde mit einem langen Heber aus mehr als 25 Metern überspielt.

Das 2:1 für Huelva per Kopf in die lange Ecke. Der Keeper kam nicht mehr dran, schwierig zu halten. Trotz Gegenwehr der Mallorquiner war das Spiel damit entschieden.
Im Tribünenaufgang findet man diese große Vitrine über den Köpfen. Auch wenn die erste Mannschaft keinen nationalen Titel bisher erspielte, ist die Sammlung eindrucksvoll. In der Mitte eine Karavelle, als Symbol für Kolumbus.
Die Eintrittskarten. Einheitspreis für alle Tribünenplätze. Sector 40B ist die hohe, überdachte Tribüne.
Vor, während und nach dem Spiel blieb der Fanshop geschlossen. Man konnte lediglich Heimtrikots an den Kassenhäuschen erwerben. Marketing schien eher ein causa extranjera zu sein. Das rote Auswärtstrikot der aktuellen Saison.



Nach dem Spiel verschwand die Mannschaft rasch in der Kabine. Das bei uns übliche Bedanken der Mannschaft, Klatschen vor den Tribünen, Humba oder sonstiges Abfeiern gab es nicht. Rasch auch leerten sich die Tribünen, einschließlich der Ultras. Alles strömte zu den Wagen. Man hatte den Eindruck, dass 90% der Zuschauer mit dem Wagen kamen und Nahverkehr kaum genutzt wurde. Dementsprechend chaotisch war die Abreise. Bei etwas über 8.000 Zuschauern dann allerdings kein Marathon.

Als Fazit bleibt, dass der spanische Zweitligafußball kaum vergleichbar mit dem deutschen ist, was Fankultur, Organisation, Atmosphäre, Kommerzialisierung und Stimmung betrifft. Angesichts der saftigen Preise auch kein Wunder. Als soziales Ereignis, was Fußball auch in den unteren Ligen in Deutschland ist, kann man das Drumherum zum Spiel in Huelva wohl kaum vorstehen. Vielmehr schien es, dass im Gegensatz zu uns, wo ein Spieltag meist auch tagfüllend ist, in Huelva man kurz vorher anreist und dann zügig wieder die Heimreise antritt. Kaum ein halber Tag dürfte dafür "draufgehen".

Für uns ein lohnenswerter Tag mit vielen "andersartigen" Eindrücken und großen Washingtoniae robustae vor dem Stadion.