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Dipsacus fullonum L.
  synonym: Dipsacus sylvestris Huds.
Wilde Karde, Dipsacaceae - Kardengewächse
Hochsommerblüher, VII–IX, 80–150 cm hoch, immergrün, zwei- (mehr-)jährig

Die Wilde Karde tritt in Mitteleuropa zerstreut bis verbreitet auf, im Bergland eher selten. Das Verbreitungsgebiet ist europäisch, in Mitteleuropa ist sie schon vor 1.500 n. Chr. eingebürgert (Archäophyt) . Bevorzugt siedeln die Pflanzen an Ufern von fließenden Gewässern, in Krautfluren, Säumen und auf Ruderalflächen. Es sind aufrecht wachsende Pflanzen, bis 150 cm Höhe, selten mehr. Die Verzweigung korreliert mit der Nährstoffversorgung, auf kargen Böden ist die Verzweigungstendenz gering, während sie auf reichen Böden deutlich ausgeprägter ist. Meist blühen die Pflanzen im zweiten Jahr und sterben danach. Die Laubblätter sind ungeteilt, am Rand kahl oder zerstreut stachelig, im mittleren Stängelbereich sitzend und am Grund verwachsen. Die lila-farbigen Blüten erscheinen auf den bis zu 10 cm langen, kegelförmigen Blütenköpfen, beginnend in der Mitte des Blütenkopfes. Durchschnittlich werden 3–8 Blütenköpfe pro Pflanze gebildet. Jede einzelne Blüte bleibt meist nur einen Tag geöffnet. Die Blüten "wandern" jeweils nach oben und unten in einem Ring kontinuierlich bis an die Enden des Blütenkopfes, so dass oft zwei "Blütenringe" erkennbar sind, bis schließlich alle 250–1.500 Einzelblüten abgeblüht sind. Typisch für Dipsacus fullonum sind die schmalen, verlängerten Blütenhüllblätter, die sich bogenförmig nach oben richten.

In ihrer gesamten Länge sind die hohlen Stängel dicht stachelig. Um die Stängel herum befinden sich die gegenständigen, sitzenden Blätter, sie sind verwachsen und bilden so einen "Regenfang-Trichter", der bis zu 13 cm tief sein kann. Es ist nicht klar, ob diese Trichter eher als Niederschlags-Sammler oder Insektenbarriere dienen. Bisher unzureichend bewiesen ist eine "fleischfressende Funktion" ertrinkender Insekten, obwohl die Pflanzen gerne an kargen Standorten wachsen. Die reichlich produzierten Samen werden sowohl mit Wind, Wasser als auch durch menschliche Aktivität verbreitet, was die Ausbreitungswege des Dipsacus fullonum entlang von Verkehrswegen erklärt.


Abb. 1 Massenbestand von Dipsacus fullonum auf einer Brachfläche am Tagebau Garzweiler, 31.07.2013, 74 m, 51° 05' 44 N, 06° 30' 50 O
Abb. 2 Blütenkopf von Dipsacus fullonum am Tagebau Garzweiler, wie Abb. 1, 31.07.2013, 74 m, 51° 05' 44 N, 06° 30' 50 O
Abb. 3 Stachelige Stängel des Dipsacus fullonum am Tagebau Garzweiler, 31.07.2013, 74 m, 51° 05' 44 N, 06° 30' 50 O
Abb. 4 Winteraspekt des Dipsacus fullonum an einem Wegesrand im Parco della Caffarella in Rom, 03.02.2018, 29 m, 41° 51' 43 N, 12° 31' 28 O
Abb. 5 Gegenständige Blätter von Dipsacus fullonum, an der Stolbergbahn, Breinig, 01.08.2012, 231 m, 50° 44' 55 N, 06° 14' 13 O
Abb. 6 Zwei Blütenreihen an den Blütenköpfen von Dipsacus fullonum am Tagebau Garzweiler, 31.07.2013, 74 m, 51° 05' 44 N, 06° 30' 50 O
Abb. 7 Noch nicht aufgeblühter Dipsacus fullonum an der Stolbergbahn, Breinig, wie Abb. 5, 01.08.2012, 231 m, 50° 44' 55 N, 06° 14' 13 O
Abb. 8 Ein "Regenwasserbecken" von Dipsacus fullonum am renaturierten Süggelbach an der Grenze von Lünen-Gahmen und Dortmund, 50 m, 51° 35' 09 N, 07° 30' 13 O, 27.05.2017


Die Abgrenzung des Dipsacus fullonum vom ähnlichen D. laciniatus L., der Schlitzblättrigen Karde, ist recht einfach, da letztere weißen Blüten hat und deutlich gefiederte Laubblätter. Der D. pilosus L. und D. strigosus Willd. ex Roem. & Schult. haben ebenfalls weiße Blüten.

Möglicherweise geht die Ableitung des Gattungsnamens Dipsacus L. auf das gr. "dipsa" (= Durst) zurück und meint damit das "Regenwasserbecken" der miteinander verwachsenen Stängelblätter, früher auch als "Venuswaschbecken" bezeichnet. Im Lateinischen findet sich mit "dipsacus" (= Karde) die selbe etymologische Wurzel. Das Epitheton fullonum stammt von lat. "fullo" (= Tuchwalker) und bezieht sich auf die ehemalige Nutzung der Blütenköpfe im Textilhandwerk; fullonum ist der Genitiv Plural, also die Karde der Tuchwalker.

Die volkstümliche, deutsche Bezeichnung "Karde" geht ebenfalls auf die frühere Nutzung der Blütenköpfe zum Aufkratzen von Wolle zurück. Das Werkzeug für diesen Arbeitsgang nennt sich im Althochdeutschen "Karda", ein Wortstamm der sich in Kardätschen (die Bürsten zum Glattstreichen von Pferdefell) wiederfindet. "Karde" leitet sich ab von lat. "carduus" (= Distel).

Referenzen
Genaust, H. 2012: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. – Nikol-Verlag, Hamburg, 701 S.
Haeupler, H. & Muer, T. 2007: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. – Ulmer-Verlag, Stuttgart, 789 S.
Shaw, P. J. A., Shackleton, K. 2011: Carnivory in the Teasel Dipsacus fullonum. The Effect of Experimental Feeding on Growth and Seed Set. – Plos One, 6 (3), e17935, http://www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0017935 am 25.08.2013.<



Zitiervorschlag: Lorek, M. 2022: Dipsacus fullonum. – http://www.tropengarten.de/Pflanzen/dipsacus-fullonum.html am Tg.Mo.Jahr.