Der Jakobsberg
Direkt am Teutoburger Wald, südlich von Bielefeld, befindet sich der Jakobsberg, ein flacher, langgezogener Kalkrücken, dessen mergelige Bodenschicht eine besondere Flora begünstigt, die sich deutlich von der in der Umgebung unterscheidet. Besonders im Frühjahr ist der Boden von einem Massenvorkommen des Leberblümchens, Anemone hepatica L., bedeckt. Im Volksmund wird der Berg daher auch Leberblümchenberg genannt.

Am Jakobsberg kommt Anemone hepatica an ihrer nordwestlichen Verbeitungsgrenze vor. Sie profitiert dabei vom flachgründigen Mergel, einer feinen, kalkhaltigen Ablagerungsschicht, die sich im Frühjahr rascher erwärmt als tiefgründige Böden. Zudem ist sie auf Kalkstandorte wie am Jakobsberg spezialisiert. Auf dem angrenzenden Haupt-Höhenzug des Teutoburger Waldes, wo der Kalkstein fehlt, sucht man das Leberblümchen daher vergebens.

Auch sonst gedeiht in den Wäldern des Jakobsbergs eine artenreiche Frühlingsflora, die schon 1941 dazu führte, dass der Berg als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde. Neben dem Leberblümchen kommt eine ganze Reihe weiterer Kalkzeiger vor. Allen voran das Wald-Bingelkraut, Mercurialis perennis L., welches teilweise teppichartige Bestände im Buchenwald bildet und schon zeitig im Frühjahr mit seinen weißen, unscheinbaren Blüten aufwartet. Man sieht es dem Wald-Bingelkraut nicht an, aber gehört es zu den Wolfsmilchgewächsen. Es besitzt selber keinen Milchsaft wie die meisten Arten der Familie, sondern wird vielmehr wegen der Blüten- und besonders Fruchtmerkmale in die Familie der Euphorbiaceae eingeordnet.

Ebenfalls im zeitigen Frühjahr, meist später als das Leberblümchen, blüht das Busch-Windröschen, Anemone nemorosa L. Es ist nicht auf kalkhaltige Standorte spezialisiert, sondern besiedelt auch saure Böden, besonders dort wo sich tiefgründiger, feuchter Boden findet. Mit seinem weißen, prächtigen Perigon wächst es an einigen Stellen auf dem Jaboksberg.

Zur Gattung Anemone L. gehört auch das Gelbe Windröschen, Anemone ranunculoides L., seine Hauptblütezeit liegt wie die anderer Anemone-Arten vor dem Laubaustrieb der Bäume. Es ist wesentlich seltener als das Busch-Windröschen und bevorzugt kalk- und nährstoffreiche Laubmischwälder als Standort. Meistens tritt es zerstreut in schattigeren Bereichen auf, wo auch Bestände des Busch-Windröschens gedeihen. Von den drei Anemone-Arten öffnet es im Jahreszyklus als letztes die Blüten.

Ein weiterer Frühlingsblüher ist das blaue Wald-Veilchen, Viola reichenbachiana Boreau. Man findet es vereinzelt in den waldigen Bereichen des Jakobsbergs. Es verstreut seine Samen durch eine raffinierte Schleudertechnik über mehrere Meter weit. Zudem werden die Samen durch Ameisen verbreitet. Neben dem Wald-Veilchen trifft man auch auf das Wohlriechende Veilchen, Viola odorata L. Teilweise sind die Bestände nicht klar voneinander abzugrenzen.

Der Wald-Gelbstern, Gagea lutea (L.) Ker-Gawl., imponiert mit seinen gelben Blüten an den wärmeren Standorten des Jakosbergs. Er blüht etwa zur selben Zeit wie das Busch-Windröschen. Er ist eine einkeimblättrige Pflanze, die zum Sommer hin einzieht und die Zeit, wenn der Laubaustrieb der Bäume den Boden stark beschattet, als Zwiebel überdauert. Im darauf kommenden Jahr treibt er dann im zeitigen Frühling wieder aus.

Zahlreich in den Wäldern findet man den Aronstab, Arum maculatum L., der ebenfalls schon im Frühling blüht und sehr früh mit seinen Blätterm aus dem Boden treibt. Zum Sommer hin ziehen die Pflanzen dann wieder ein, weil durch Belaubung der Bäume die Photosynthese nicht mehr "wirtschaftlich" ist. Dann bleiben nur noch die Fruchtstände stehen, erst mit grünen, später dann roten Früchten. So ein Verhalten wird als "vorsommergrün" bezeichnet und ist oft typisch für Pflanzen der Krautschicht in Laubwäldern.

Auf dem Jakobsberg kommen Sippen des Aronstabs mit deutlichen Blattflecken, als auch solche ohne Flecken vor. Interessant ist der Bestäubungsmechanismus des Aronstabs. Jede Pflanze hat zwar männliche als auch weibliche Blüten, kann sich aber nicht selbst bestäuben. Das hängt damit zusammen, dass die weiblichen Blüten schon verwelkt sind, wenn die männlichen Blüten Pollen bilden. Insekten die in den Ahornstab gelangen, müssen also mindestens zwei Pflanzen besucht haben, um erfolgreich als Bestäuber tätig zu werden. Hierfür werden sie von der Pflanze "über Nacht eingesperrt" und erst am Folgetag wieder frei gelassen.

Abb. 1 Blüten von Anemone hepatica im zeitigen Frühjahr am Jakobsberg, Teutoburger Wald, 26.02.2014, 174 m, 52° 01' 56 N, 08° 24' 29 O
Abb. 2 Photo des Lageplans an der Info-Tafel, aufgestellt durch die Untere Landschaftsbehörde Kreis Gütersloh. Parken am besten auf dem Wanderparkplatz an der Gaststätte Friedrichshöhe, 26.02.2014
Abb. 3 Viola reichenbachiana Boreau am Jakobsberg, Teutoburger Wald, nicht eindeutig bestimmbare Sippe, die Übergänge zum Wohlriechenden Veilchen, Viola odorata L., zeigt. 26.02.2014, 189 m, 52° 01' 57 N, 08° 24' 52 O
Abb. 4 Blühende Mercurialis perennis auf Kalkstein, Teutoburger Wald, Jakobsberg, 26.02.2014, 163 m, 52° 01' 53 N, 08° 24' 31 O


Abb. 5 Ungefleckte Blätter von Arum maculatum im zeitigen Frühjahr am Jakobsberg, Teutoburger Wal, 26.02.2014, 198 m, 52° 01' 43 N, 08° 25' 06 O
Abb. 6 Blüten der Anemone hepatica im zeitigen Frühjahr am Jakobsberg, Teutoburger Wald, 26.02.2014, 214 m, 52° 02' 01 N, 08° 24' 43 O
Abb. 7 Die drei, wie Kelchblätter wirkenden Hochblätter von Anemone hepatica, Jakobsberg, Teutoburger Wald, 26.02.2014, 220 m, 52° 02' 00 N, 08° 24' 46 O
Abb. 8 Rasenartiger Bestand der Anemone hepatica, Jakobsberg, Teutoburger Wald, 26.02.2014, 189 m, 52° 01' 56 N, 08° 24' 34 O
Abb. 9 Aufgelassener Kalksteinbruch, der den weißen Kalkstein aus älteren Schichten der Oberkreide freilegt (etwa 100–90 Millionen Jahre alt), 26.02.2014, 174 m, 52° 01' 56 N, 08° 24' 29 O
Abb. 10 Kolonie des Gewöhnlichen Tüpfelfarns, Polypodium vulgare L. am Jakobsberg, Tiefer Weg bei Amshausen, 26.02.2014, 171 m, 52° 02' 04 N, 08° 25' 01 O
Abb. 11 Campanula trachelium L. in einem Buchenmischwald am Jakobsberg, Teutoburger Wald, 29.06.2014, 223 m, 52° 02' 01 N, 08° 24' 46 O
Abb. 12 Ein Kalkzeiger ist das Schwarzfrüchtige Christophskraut, Actaea spicata L. Mit seinem weißen Blütenstand und den schwarzen Früchten ist es im Unterwuchs des Buchenmischwaldes zu finden. Jakobsberg, Teutoburger Wald, 29.06.2014, 216 m, 52° 02' 00 N, 08° 24' 48 O
Abb. 13 Paris quadrifolia L. im Buchenmischwald am Jakobsberg, Teutoburger Wald, 29.06.2014, 223 m, 52° 02' 01 N, 08° 24' 46 O
Abb. 14 Die Gewöhnliche Mahonie, Mahonia aquifolium (Pursh) Nutt., ist ein eingebürgerter Neophyt und tritt an mehreren Stellen in der Strauchschicht am Jakobsberg auf, Teutoburger Wald, 26.02.2014, 191 m, 52° 01' 45 N, 08° 24' 57 O
Abb. 15 Entlang der Wege, an offenen Stellen, trifft man häufiger auf das
Gewöhnliche Pfaffenhütchen. Blüten und Blätter des Euonymus europaeus L. am Jakobsberg, Teutoburger Wald, 08.06.2013, 187 m, 52° 01' 55 N, 08° 24' 44 O


Abb. 17 Im Buchenwald wächst mancherorts das Dunkle Lungenkraut, Pulmonaria obscura L., eine schon im zeitigen Erstfrühling blühende, immergrüne Pflanze. Jakobsberg, Teutoburger Wald, 01.04.2015, 182 m, 52° 01' 40 N, 08° 25' 10 O

Nicht nur die "berühmten Frühblüher" sind Grund für einen Besuch des Jakobsbergs, sondern auch im Sommer hat das Naturschutzgebiet einige interessante Pflanzen "zu bieten". So findet man im nun belaubten Wald nicht mehr so viele Blüten, aber einige Pflanzen sind dennoch zu entdecken: Die ebenfalls blau blühende Nesselblättrige Glockenblume, Campanula trachelium L. Von der Vierblättrigen Einbeere, Paris quadrifolia L., gibt es eine handvoll Kolonien. Und ein typischer Kalkzeiger, das Schwarzfrüchtige Christophskraut, Actaea spicata L., zeigt sich vereinzelt mit seinem weißen Blütenstand und den schwarzen Früchten im Unterwuchs des Buchenmischwaldes.

In den nicht bewaldteten Bereichen des Jaboksbergs lassen sich zudem weitere, mehr oder weniger seltene Pflanzen entdecken: der Gewöhnliche Tüpfelfarn, Polypodium vulgare L., wächst an einigen Stellen mit größeren Beständen. Das Aufgeblasene Leimkraut (Silene vulgaris (Moench) Garke), Hopfenklee (Medicago lupulina L.), Kleiner Odermennig (Agrimonia eupatoria L.), Nickende Distel (Carduus nutans L.) oder Arnzei-Thymian (Thymus pulegioides L.) sind weitere Pflanzen, die sich an den Wegen durch die Wiesen finden lassen.

Auch interessant ist das fußläufig erreichbare, östlich vom Jakobsberg gelegene Naturschutzgebiet "Egge", welches ebenfalls ein Bergzug aus Kalk und Kalkmergel ist, der an den Südhängen eine wärmeliebende Buchenwaldgesellschaft der Frühlings-Platterbse, Lathyrus vernus (L.) Bernh., beherbergt, die zwischen April und Mai blüht. Auch die Egge weist große Bestände des Leberblümchens auf.

Bester Zeitpunkt für einen Besuch des Jakobsbergs ist natürlich das Frühjahr zur Blüte des Leberblümchens. Meistens liegt diese Mitte März bis Mitte April, kann witterungsabhängig aber auch schwanken. Wochenends und Feiertags muss man mit reichlich Naturfreunden auf dem Berg rechnen. Auch zu späteren Zeitpunkten wartet der Jakobsberg mit einer reichhaltigen Blüten- und Pflanzenwelt auf, dann ist es wieder leerer auf den Wanderwegen.

Im Navigator gibt man am besten "Kaistraße, Gemeinde Steinhausen, Kreis Gütersloh" ein und parkt am Wanderparkplatz der Gaststätte Friedrichshöhe. Dort steht auch eine Info-Tafel mit Lageplan und Tourenvorschlag.


Zitiervorschlag: Lorek, M. 2023: Der Jakobsberg. – http://www.tropengarten.de/Botanik/jakobsberg.html am Tg.Mo.Jahr.